Bi-GO-Kurz-225

Frau Kurz hat einen siebten Sinn fürs Praktische. Wenn es ihr nach ginge, würden wir alles Überflüssige aus den Wörtern rausnehmen. Sie meint:

Schreibe die Wörter so einfach wie möglich.
Lasse überflüssige Buchstaben weg.

Du ahnst es schon, dass sie mit den anderen in ständigem Streit liegt. Frau Kurz denkt einfach praktisch. Allerdings kann sie sich gegen die anderen nicht so oft durchsetzen. Umso erstaunlicher ist es, dass sie sich mit Herrn Schön so gut versteht. Wenn die beiden sich einig sind, dann haben die anderen Prinzipienwächter oft das Nachsehen.

Hör einmal zu, wenn die beiden miteinander reden:
“Nun, mein Engel”, schmeichelt Herr Schön und will mit Frau Kurz ein Plauderstündchen anfangen. “Engel? Ein Engel, viele Engel – ein Nomen, das in der Einzahl und Mehrzahl gleich bleibt. Ein schönes Wort – kurz und knapp!” erwidert Frau Kurz. “Dann sollte ich besser ‚Engelchen’ oder ‚mein Engelein’ sagen.” schmunzelt Herr Schön. “Und wie schreibst du das?”, fragt Frau Kurz, “mit einem ‚l’ oder mit zwei?” “Nun ja,” zögert Herr Schön. “Erst einmal ‚Engel’ mit ‚l’ und dann dahinter noch ‚lein’ auch mit ‚l’.” Dann schreibt er das Wort auf. “Nein, mit zwei ‚l’ sieht es nicht schön aus.” “Genau.” stimmt Frau Kurz jetzt zu. “Ein ‚l’ ist überflüssig, also weg damit!”

Ganz so einfach geht das in meiner Rechtschreibwerkstatt natürlich nicht. Erst einmal hat Herr Wort protestiert. “Man kann nicht einfach was weglassen!”, hat er empört gemeint. Erst als Frau Laut sich auf die Seite von Frau Kurz schlug, wendete sich die Diskussion. “Vielleicht ist es gar nicht schlecht, ein ‚l’ wegzulassen, sonst erkennt man nicht, dass hier die Endung ‚el’ gemeint ist. Man könnte ja sonst auf die Idee kommen, dass hier ein Doppelkonsonant nach kurzem Vokal steht. Aber das ist ja was ganz anderes.”

Ganz schön kompliziert, was meine Prinzipienwächter da so diskutieren. Nun ja, du brauchst auch nicht alles zu verstehen. Jedenfalls haben die Prinzipienwächter schließlich Frau Kurz und Frau Laut zugestimmt. So kommt es, dass wir jetzt “Engelein” nur mit einem ‚l’ am Ende schreiben.

Frau Kurz hat für viele praktische Vereinfachungen gesorgt. Manches wird dir am Anfang nicht so recht einleuchten. So hören wir beispielsweise bei dem Wort ‘Spinne’ ein <sch>. Wir schreiben aber nur ein ‘s’. “Aber weil das immer so ist, dass am Wortanfang <schp> und nicht <sp> gesprochen wird, können wir die Buchstaben ‘c’ und ‘h’ auch weglassen”, wird dir Frau Kurz erklären. “Warum sollen wir vier Buchstaben schreiben, wenn zwei auch ausreichen?” So dumm ist das doch gar nicht – oder?

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