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Herr Alt heißt nicht nur so, er ist auch tatsächlich der Älteste in der Runde der Prinzipienwächter. Sein Motto ist:

Schreibe die Wörter so,
wie sie früher geschrieben wurden.

Er ist ein netter älterer Herr, der fast zu jedem Wort eine kleine Geschichte erzählen kann. Er weiß, wo die Wörter herkommen und was sie früher bedeutet haben. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie spannend es ist, sich mit Herrn Alt zu unterhalten.

Bei den vielen Diskussionen im Büro der Prinzipienwächter hält sich Herr Alt meistens zurück. Erst dann, wenn keiner eine richtige Antwort weiß, erzählt er eine passende Geschichte. Dann hören alle gespannt zu und anschließend ist es ganz leicht, sich zu einigen.

Manchmal vergräbt sich Herr Alt tagelang hinter seinen dicken alten Büchern. Er liest und sucht und vergleicht so lange, bis er eine Antwort gefunden hat. “Es gibt nichts ohne Geschichte”, sagt er. “Doch oft haben wir die Geschichte vergessen. Dann muss man eben suchen und die Geschichte ausgraben.” Damit hat er Recht.

Einmal hat Frau Unterschied mit Frau Laut ihr Lieblingsspiel gespielt: “Teekesselchen”. Das Lösungswort war: “Kapelle”. Gemeint war einmal die kleine Kirche und das zweite Wort war die Musikgruppe. Herr Alt hatte zugehört und gefragt: “Wisst ihr auch, was die beiden miteinander gemein haben?” Und dann hat er die Geschichte von der “Kapelle” erzählt:

“Es war vor vielen hundert Jahren. Da lebte in Gallien ein junger römischer Soldat. Als er eines Nachts im kalten Winter auf dem Weg nach Hause war, traf er auf einen armen frierenden Bettler. Er hatte Mitleid und gab ihm die Hälfte seines Mantels. Jetzt wisst ihr, wen ich meine. Es war der heilige Martin, der im Jahre 316 geboren wurde und bis 397 lebte.

Später wurde dieser Soldat Mönch und noch später Bischof von Tours. Das ist eine Stadt in Frankreich. Am 8. November 397 ist er gestorben und drei Tage später begraben worden. Noch heute feiern wir an diesem Tag, den 11. November das Martinsfest. Über seinem Grab (in Candes-Saint-Martin, einem kleinen Ort in Frankreich) errichtete man ein kleines Steinhaus, in dem sein Mantel aufbewahrt wurde.

Im lateinischen war “cappa” ein ‚Mantel mit Kapuze’ und “cappella” ein kleiner Mantel. Von diesem lateinischen Wort stammt auch unser deutsches Wort “Kappe” (= Mütze) und auch das englische “cape” (= Umhang).

In dem Steinhaus lag also der Mantel des heiligen Martin, sein “cappella” (sein Mäntelchen). Die Leute nannten dieses kleine Steinhaus daher einfach nur “kapella”. Später nannte man alle kleinen Kirchen aus Stein: “Kapelle”. Ein Priester, der keine eigene Kirche hatte, also kein Pfarrer war, las in einer solchen kleinen Kapelle die heilige Messe. Diese Priester nannte man früher “kapellan” (heute Kaplan).

In jeder Burg gab es eine solche kleine “Kapelle”. Die Messe wurde früher in lateinischer Sprache gehalten. Aber die Burgherren verstanden diese Kirchensprache nicht. Also sorgten sie dafür, dass es wenigstens etwas Unterhaltung während der Messe gab. Geld hatten sie meist genug. Sie engagierten Musiker, die in den Burgkapellen während des Gottesdienst feierliche Musik spielten. Diese Musikgruppen nannte man nach dem Ort, wo sie spielten: “Kapelle”. Seht ihr, so gehören der heilige Martin, die Kapelle und die Musik zusammen wie ein rotes Band. – Und zu diesem Wort (nämlich Band) kenn ich auch noch eine Geschichte. Aber die erzähle ich ein anderes Mal.”

Doch damit hatte Herr Alt auch schon das nächste Teekesselwort geliefert: “Mein Teekesselchen ist aus Stoff.” “Meins besteht aus verschiedenen Personen.” ....

Ist das nicht interessant, was Herr Alt zu erzählen hat? Wenn du also gerne alten Geschichten zuhörst, dann geh zu Herrn Alt. Stell ihm irgendeine Frage und du wirst sehen, er lässt daraus  eine tolle Geschichte entstehen.

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